Lenzeeiche bei Sichertshausen, Baden-Württemberg

Kräuternachrichten Nr. 14 – Herbst 2020

Durch deine Äste Vielgestalt,
bist, Eiche, du ein Wald im Wald!
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Karl Mayer, Sammlung Unterwegs, 1848
Wenn ich an Eichen denke, fällt mir stets das silberne 50-Pfennigstück ein. Eine kniende Frau im langen Kleid und Kopftuch pflanzt, so scheint es mir, konzentriert einen Eichensetzling. Ich mag dieses Bild, weil es Bäume wertschätzt. So wie ich es tue. ­ In Deutschland gibt es zwei heimische Eichenarten, Stiel- und Traubeneiche. Wer mag, darf noch die seltenen wärmeliebenden Flaumeichen als dritte Art hinzunehmen.

Sprichwörtlich ist das Alter der Eichen. Fünf, sechs und sieben Jahrhunderte können sie leben. Die ältesten Exemplare waren bereits im ausgehenden Mittelalter mächtige Bäume.  ­ Einen meiner schönsten Geburtstage habe ich mit vielen Freunden unter der frei stehenden weit ausladenen Lenzeiche gefeiert. Ihre Krone mag einen Durchmesser von 30 Metern überspannen. ­ Alte Eichen sind Sensibelchen. In meinem Umfeld, an den Oderhängen oder der Schorfheide, sterben sie in den letzten Jahren zu Hunderten. Wissenschaftler sprechen von einer Komplexkrankheit. ­ ­
­ ­ ­ ­ Ich bin überzeugt, es sind die Trockenjahre, die seit 2003 zunehmend unsere Wälder verändern. Alte Eichen mögen sich nicht mehr umstellen, ihre Wurzeln in möglicherweise noch wasserführende Schichten senken. Das war früher auch nicht nötig. Da ähneln sie vielleicht ein wenig alten Menschen. ­
­ ­ ­ ­ Ich mag Eichen, ihre herrlichen Früchte, ihre raue Borke, mächtige Baumgestalten. Dabei denke ich nicht an die „deutsche Eiche“.  Eher an einen freundlichen Baum, der mehr als tausend verschiedenen Insektenarten Kinderstube und Heim bietet. Einfach so, ohne Gegenleistung. Sie liebt wohl die Gemeinschaft, gerade in langen Winternächten … ­

Kleines Eichen-Verwirrspiel:
Die Früchte der Stieleiche sind deutlich gestiel. Die Blätter dagegen sitzen direkt auf den Zweigen, sie haben keinen Stiel.
Gerade umgekehrt ist es bei der Traubeneiche: hier sind die Blätter gestielt, die Eicheln jedoch nicht.

Früchte der Stieleiche
Heilkundliches ­
­ ­ ­ ­ Es sind die Gerbstoffe, die die Eiche zur Heilpflanze machen. Davon hat sie reichlich  – vor allem in der jungen Rinde, die im Frühjahr bis zu 20 % enthalten kann. Eichenrinde wird äußerlich in Form von Sitzbädern oder Umschlägen bei Haut- und Schleimhaut-verletzungen, bei schlecht heilenden, entzündlichen Wunden und nässenden Ekzemen angewandt. Die Gerbstoffe reagieren bei dieser Behandlung mit den Eiweißstoffen der Haut. Sie wirken desinfizierend, juckreizlindernd und adstringierend, d.h. zusammenziehend. Die Wunde trocknet dadurch ab, die Wundränder schließen sich und sie kann heilen. ­
­ ­ ­ ­ Nichts anderes passiert übrigens, wenn Tierhäute zu Leder gegerbt werden. Die Gerberlohe auch Eichenlohe genannt, verbindet sich mit dem Eiweiß der Tierhaut, wodurch diese biegsam und vor allem haltbar wird. ­
­ ­ ­ ­ Innerlich als Tee helfen die Gerbstoffe der Eichenrinde bei Durchfallerkrankungen. Allerdings kann dieser Tee bei empfindlichem Magen und vor allem in höheren Dosen Magenreizungen verursachen.